Blockseminar: "Zufallspfade in riemannschen Mannigfaltigkeiten"

Organisatoren: Christian Bär, Bernhard Hanke

Für die Ausbreitung von Wärme gibt es unterschiedliche mathematische Beschreibungen. Zum einen kann man die Funktion betrachten, die die Temperaturverteilung angibt. Ihre zeitliche Veränderung wird durch eine partielle Differentialgleichung, die Wärmeleitungsgleichung, beschrieben. Zum anderen kann man sich Wärme als Schwingungen von Molekülen vorstellen, die einen Teil ihres Impulses zufällig an Nachbarmoleküle weitergeben. Dies führt auf Zufallspfade und die Brown'sche Bewegung.

Im Seminar wurde die Verbindung zwischen diesen Beschreibungen auf riemannschen Mannigfaltigkeiten behandelt. Dazu besprachen wir detailliert die Konstruktion der Brown'schen Bewegung auf riemannschen Mannigfaltigkeiten inklusive der notwendigen maßtheoretischen Grundlagen. Anschließend studierten wir Eigenschaften der Brown'schen Bewegung wie Rekurrenz (Wiederkehreigenschaft) und stochastische Vollständigkeit (Nichtexplosivität) und brachten sie in Verbindung mit analytischen und geometrischen Eigenschaften der zugrunde liegenden Mannigfaltigkeit (Volumenwachstum, Kapazitätsabschätzungen, Grundton, ...).

Jeder Vortrag dauerte 60 Minuten plus Diskussion (bis auf den Kurzvortrag, der nur halb so lang dauerte). Aus Ermangelung einer Tafel wurden die Vorträge mit zwei Overheadprojektoren gehalten. Ganz wichtig war hierbei, dass die Folien nicht vorbereitet mitgebracht wurden, sondern, wie an einer Tafel, während des Vortrags live beschrieben wurden. Die Vorträge wurden in deutscher Sprache gehalten.

Vorträge 2 und 3 waren Übersichtsvorträge, in denen Beweise nur skizziert werden konnten. Sie wurden von Teilnehmern übernommen, die mit der jeweiligen Materie schon gut vertraut waren.

Das Seminar fand im Haus Tornow in Pritzhagen nahe Berlin statt. Anreise war am 29.6.2014 zum Abendessen, die Abreise am 4.7. nach dem Mittagessen.

Vortragsprogramm:

  1. Einführung (Christian Bär)
  2. Der Laplace-Operator auf riemannschen Mannigfaltigkeiten (Alexander Engel)
    Definition des Laplace-Beltrami-Operators, wesentliche Selbstadjungiertheit, Spektrum (kompakte versus nichtkompakte Mannigfaltigkeiten), Dirichlet- und Neumann-Randbedingungen im Fall kompakter Mannigfaltigkeiten mit Rand.
    [C: I.1-3, I.5, event. noch Beispiel aus II]
  3. Der Wärmekern (Klaus Kröncke)
    Die Wärmeleitungsgleichung, Existenz und Eindeutigkeit des Wärmekerns auf a) geschlossenen Mannigfaltigkeiten (Reihe von Eigenfunktionen), b) kompakten Mannigfaltigkeiten mit Rand (wie b mit Dirichlet-Randbedingungen), c) vollständigen nichtkompakten Mannigfaltigkeiten (durch Ausschöpfungsargument auf b zurückführen).
    [BGM: III.E.I-III, D, siehe auch G2]
  4. Maßtheoretische Vorbereitungen (Benedikt von Seelstrang)
    Zusammenfassung der benötigten maßtheoretischen Konzepte und Resultate mit ausführlichen Beweisen.
    [BP: App. A, Lemmata 3.13, 3.14]
  5. Kolmogorovs Kriterien für stochastische Prozesse mit stetigen Pfaden (2 Vorträge, Franziska Beitz, Mathias Fischer)
    Übergangsfunktionen, die gewissen Abschätzungen genügen, führen zu stochastischen Prozessen. Hölder-stetige Pfade mit passender Hölder-Ordnung haben volles Maß.
    [BP: Sec. 2, App. B]
  6. Wiener-Maß auf riemannschen Mannigfaltigkeiten (Oliver Lindblad Petersen)
    Kolmogorovs Kriterien werden auf den Wärmekern als Übergangsfunktion angewendet. Man erhält das Wiener-Maß auf der Menge der stetigen Pfade in einer riemannschen Mannigfaltigkeit, die in einem gegebenen Punkt starten. Den Beweis von Lemma 3.9 bestenfalls kurz skizzieren.
    [BP: Sec. 3, App. C]
  7. Überlagerungen und Beispiele (Meru Alagalingam)
    Bei normalen riemannschen Überlagerungen induzieren Projektion und Liften zueinander inverse Abbildungen der Pfadräume, die das Wiener-Maß erhalten. Für den euklidischen und den hyperbolischen Raum wird der Erwartungswert des Abstands eines Zufallspfads vom Startpunkt als Funktion der Zeit berechnet.
    [BP: Sec. 4,5]
  8. Feynman-Kac-Formel (Matthias Ludewig)
    Die Lösung der Wärmeleitungsgleichung für Schrödinger-Operatoren wird als Pfad-Integrals mittels Wiener-Maß geschrieben.
    [BP: Sec. 6]
  9. Modell-Mannigfaltigkeiten (Kurzvortrag, Christoph Stephan)
    Auf Mannigfaltigkeiten mit O(n-1)-Symmetrie können viele Fragen den Laplace-Operator betreffend mittels gewöhnlicher Differentialgleichungen behandelt und vollständig beantwortet werden. Andererseits enthält diese Klasse bereits so wichtige Beispiele wie den euklidischen und den hyperbolischen Raum. Kriterien für Rekurrenz und stochastische Vollständigkeit werden angegeben (aber noch nicht bewiesen).
    [G1, §3]
  10. Green-Funktionen und Kapazitäten (Max Lewandowski)
    Harmonische Funktionen, Definition der Green-Funktion mittels Wärmekern, Kapazität einer kompakten Menge in einer offenen Menge, Abschätzung durch Green-Funktion.
    [G1: 4.1-4.3]
  11. Massive Mengen, subharmonisches Potential und Trefferwahrscheinlichkeiten (Markus Upmeier)
    Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Zufallspfad eine gegebene Teilmenge trifft? Oder sie immer wieder trifft?
    [G1: 4.4-4.6]
  12. Rekurrenz (Viktoria Rothe)
    Zentrales Resultat ist Theorem 5.1, das zahlreiche äquivalente Bedingungen für Rekurrenz der Brown'schen Bewegung enthält.
    [G1: 5]
  13. Stochastische Vollständigkeit (Ariane Beier)
    Äquivalente Bedingungen für stochastische Vollständigkeit.
    [G1: 6]
  14. Volumenwachstum und Rekurrenz I (Robert Schmidt)
    Kapazitätsabschätzungen, Volumenwachstumsbedingung für Rekurrenz der Brown'schen Bewegung.
    [G1: 7]
  15. Isoperimetrische Ungleichungen (Andreas Hermann)
    Isoperimetrische Ungleichungen, die Transienz der Brown'schen Bewegung implizieren.
    [G1: 8]
  16. Volumenwachstum und stochastische Vollständigkeit (Florian Hanisch)
    Wenn das Volumen geodätischer Bälle nicht zu schnell wächst (als Funktion des Radius), dann ist die Mannigfaltigkeit stochastisch vollständig. Wichtiges Hilfsmittel ist ein Eindeutigkeitssatz für das Anfangswertproblem der Wärmeleitungsgleichung mit beschränkten Lösungen.
    [G1: 9]
  17. Grundton und Transienz (Frank Pfäffle)
    Positivität des Grundtons impliziert Transienz, Faber-Krahn-Ungleichung, Wärmekern-Abschätzung.
    [G1: 10]
  18. Volumenwachstum und Rekurrenz II (Christian Becker)
    Umkehrung des Kriteriums aus dem 14. Vortrag.
    [G1: 11]

Literatur:

[BP] C. Bär und F. Pfäffle: Wiener Measures on Riemannian Manifolds and the Feynman-Kac Formula, Mat. Contemp.40 (2011), 37-90

[BGM] M. Berger, P. Gauduchon und E. Mazet: Le Spectre d'une Variété Riemannienne, Springer Lecture Notes194 (1971)

[C] I. Chavel: Eigenvalues in Riemannian Geometry, Acad. Press 1984

[D] J. Dodziuk: Maximum Principle for Parabolic Inequalities and the Heat Flow on Open Manifolds, Indiana Univ. Math. J.32 (1983), 703-716

[G1] A. Grigor'yan: Analytic and geometric background of recurrence and non-explosion of the Brownian motion on Riemannian manifolds, Bulletin of Amer. Math. Soc. 36 (1999), 135-249

[G2] A. Grigor'yan: Heat Kernel and Analysis on Manifolds, AMS/IP Studies in Advanced Mathematics47 (2009), 498 pages

 

Das Blockseminar wurde unterstützt durch